Volker Höynck betreibt in Niesky eine Hausarztpraxis. Wir sprechen mit ihm über die Schwierigkeit, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für seine Niederlassung zu finden und über die Fragen, die sich junge MedizinerInnen vor der eigenen Praxiseröffnung stellen.
Nachfolger gesucht!
Herr Höynck, 2004 eröffneten Sie in Niesky eine Hausarztpraxis. Damals haben Sie als Arzt bereits eine bewegte Geschichte hinter sich gehabt. Wie kam es zu dem Entschluss, sich gerade im ländlichen Raum Sachsens niederzulassen?
Ich habe von 1981 bis 1990 bereits in verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet und die Ausbildung als „Praktischer Arzt“ und „Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ absolviert. Anderthalb Jahre in Praxen für Allgemeinmedizin haben schon früh mein Interesse an der Hausarzttätigkeit geweckt. Nach 1990 ging ich jedoch erst einmal nach Afrika und arbeitete in Malawi und Botswana in Missionskrankenhäusern sowie dem Zentralkrankenhaus der Hauptstadt Malawis. Ich hörte bereits in Malawi vom Hausärztemangel im Osten Deutschlands, und so entstand der Plan, 2004 eine verwaiste Hausarztpraxis in Niesky neu zu eröffnen.
Bei einer eigenen Niederlassung kommt häufig die Angst vor dem wirtschaftlichen Risiko zur Sprache. Wie sehen Sie die finanziellen Bedenken bei der Selbstständigkeit in der eigenen Praxis?
Ich denke, die wirtschaftliche Angst bei der Arbeit in der eigenen Praxis ist unbegründet. Regresse und andere Rückzahlungsforderungen kann man durch Teilnahme an Schulungen und die Befolgung der Vorgaben und Regelungen der örtlichen Kassenärztlichen Vereinigung vermeiden.
Wie schwierig ist es, als selbstständiger Arzt abzuschalten und sich Zeit für sich und seine Familie zu nehmen?
Eine gute Work-Life-Balance ist in den Arbeitsphasen schwierig einzuhalten, da sich immer wieder Notsituationen ergeben, die einen verstärkten Einsatz erfordern. Deshalb schließen wir in jedem Quartal zwei bis drei Wochen die Praxis, also vier Mal im Jahr. Außerdem gibt es die Feier- und Brückentage. Diese Auszeiten brauche ich dann auch zum Erholen und Abschalten.
Auch die räumliche Isolation und die höhere Schwierigkeit, sich fachlich mit anderen MedizinerInnen auszutauschen, könnten zu Bedenken führen. Sind Sie in Niesky mit anderen ÄrztInnen vernetzt?
Ja, 2006 habe ich einen Gesprächskreis von HausärztInnen gegründet, den „Kleinen Äskulap“. Wir treffen uns seitdem drei bis vier Mal im Jahr. Vor drei Jahren haben ein Freund und ich außerdem das „Ärztenetz Ostsachsen“ gegründet, in dem Haus- und Fachärzte bzw. -ärztinnen in den Kreisen Görlitz und Bautzen eng zusammenarbeiten.
Die Nachfolgersuche für eine Arztpraxis im ländlichen Raum ist alles andere als einfach. Was hält junge MedizinerInnen davon ab, sich auf dem Land niederzulassen?
Während des Studiums und der Facharztausbildung entsteht oft der Eindruck, dass nur in den Praxen und Krankenhäusern der Städte „Medizin gemacht“ wird. Erst wenn man in einer Landarztpraxis mitarbeitet, erkennt man, wie abwechslungsreich Medizin auf dem Land ist.
Ihr Werdegang hat Sie in die unterschiedlichsten Arbeitssituationen gebracht. Was zeichnet für Sie die ärztliche Tätigkeit auf dem sächsischen Land aus?
Der entscheidende Unterschied der Arbeit auf dem Land im Vergleich zur Stadt ist die Treue der PatientInnen. Oft sind ganze Familien bei uns in Behandlung. Wir kennen dann drei, manchmal vier Generationen. Arztwechsel finden statt, aber sehr viel weniger als in der Stadt. Auch brauchen wir nicht um PatientInnen zu werben, eher umgekehrt müssen wir aufpassen, dass es nicht zu viele werden.
Könnte es Ihr Nachfolger oder Ihre Nachfolgerin dann schwer haben als „fremder“ Arzt bzw. „fremde“ Ärztin?
Am Anfang sind die PatientInnen meist skeptisch. Das mutigste Familienmitglied traut sich dann als erstes zum neuen Arzt. Wenn er oder sie den ersten Arztkontakt heil überstanden hat, dann trauen sich auch die anderen.
Die Praxis von Ihnen zu übernehmen, bietet für junge MedizinerInnen sicherlich einige Vorteile im Vergleich zur völligen Neueröffnung. Wie sehen Sie das?
Ja, ich kann meine NachfolgerIn dann beispielsweise selbst den PatientInnen vorstellen. Das fördert das Anfangsvertrauen. Außerdem kann ich meine NachfolgerIn bei administrativen Vorgängen begleiten und so Fehler vermeiden, die Geld kosten könnten. Oft wünschen sich NachfolgerIn auch, dass der Vorgänger noch eine Weile teilweise mitarbeitet, um so nicht ins „kalte Wasser geworfen“ zu werden. Solche Übergänge könnte man dann gemeinsam planen.