Eine Frage, die sich früher oder später alle Mediziner*innen stellen müssen. Warum die Allgemeinmedizinerin Jenny Gullnick ihre Weiterbildung in Sachsen absolviert hat und auch zum Arbeiten geblieben ist, hat sie uns im Interview erzählt.
Wohin geht’s für die Weiterbildung?
Frau Gullnick, Sie haben Ihre Weiterbildung in Sachsen absolviert und haben bis jetzt in Werdau gearbeitet. Was können Sie aus Ihrer Erfahrung zu den Weiterbildungsmöglichkeiten in Sachsen sagen?
Grundsätzlich gibt es in Sachsen nahezu flächendeckend viele und auch gute Weiterbildungsmöglichkeiten für Ärzt*innen in Weiterbildung. Ich kann hier natürlich vor allem für die Allgemeinmedizin sprechen. Neben den Kliniken gibt es viele interessierte Hausarztpraxen, die motiviert sind, eine gute Weiterbildung anzubieten und das Praktizieren und Leben als Hausärzt*in weiterzugeben. Über die Lehrstühle für Allgemeinmedizin in Leipzig und Dresden sowie das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Sachsen (KWASa) wird die Lehre in dem Fachbereich und die Weiterbildung nach dem Studium außerdem sehr engagiert gefördert und weiter ausgebaut. Neben Fortbildungen gibt es Mentoringprogramme, Praxiskooperationen und zunehmend Netzwerke für die Weiterbildungsassistent*innen, die einen guten und schnellen Erfahrungsaustausch ermöglichen.
Was die Qualität der Weiterbildung angeht, muss man natürlich sagen, dass eine persönliche Betreuung in einer ambulanten Praxis viel individueller ist und man von einer*m guten Mentor*in sehr viel für den Beruf und das Leben als Hausärztin mitbekommen kann. In der Klinik ist es oft schwieriger, als Arzt oder Ärztin in Weiterbildung alle notwendigen Ausbildungsinhalte zu absolvieren. Vor allem durch Personalknappheit, Dienstsysteme und den steigenden wirtschaftlichen Druck auf die Kliniken steht an erster Stelle immer das Routineprogramm. Für eine strukturierte Ausbildung bleibt da oft nicht mehr viel Zeit.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, nach Ihrer Weiterbildung in Werdau zu arbeiten?
Ich komme „vom Land“ und wollte auch immer wieder gern in die ländliche Region zurück. Ich kenne die Gepflogenheiten der Leute und ihren Umgang miteinander.
Auch meine Weiterbildung habe ich fast komplett in Praxen und Kliniken im ländlicheren Bereich absolviert. Ich mag die dort noch ausgeprägteren Familienstrukturen, die man vor allem als Allgemeinmediziner*in mehr mitbekommt als in anderen Fachbereichen. Ich fahre gerne Hausbesuche und kann so oft auch besser das Lebensumfeld der Patient*innen einschätzen, was für deren Versorgungslage oft entscheidend ist.
Ich habe kein großes Problem damit, wenn mich die Leute auf der Straße erkennen und ansprechen. Die Anonymität wie in der Großstadt brauche ich persönlich als Hausärztin nicht.
Was treibt Sie persönlich in der Arbeit als Allgemeinmedizinerin an?
Ich habe immer versucht, meine Patient*innen im Ganzen zu sehen und zu versorgen und das möglichst über einen längeren Zeitraum. Außerdem ist es eine Herausforderung, Menschen aller Altersgruppen und mit unterschiedlichen Krankheitsbildern (mit) zu versorgen, sowohl in der Praxis als auch zu Hause oder in der Pflegeeinrichtung.
Die Zusammenarbeit mit den anderen Fachrichtungen und das Koordinieren der Behandlung mit und für die Patient*innen machen mir großen Spaß.
Als Hausärztin kann man all diese Dinge gut zusammenbringen und die Patient*innen beraten und begleiten. Man entwickelt eine vertrauensvolle Beziehung und steht dann oft auch nicht nur für rein medizinische Fragen zur Verfügung. Man trägt als Ärzt*in immer eine große Verantwortung für seine Patient*innen, bekommt aber auch emotional viel zurück.
Sie sind seit letztem Jahr Teil des Redaktionskollegiums für das Ärzteblatt Sachsen, dem offiziellen Organ der Sächsischen Landesärztekammer mit Publikationen ärztlicher Fach- und Standesorganisationen – wie ist es dazu gekommen?
Durch das geplante Ausscheiden des damaligen Vorsitzenden aus dem Redaktionskollegium wurde ein neues Mitglied für dieses Gremium gesucht. Dies wurde über die Landesärztekammer kommuniziert. Da ich mich schon in meiner Studentenzeit in diesem Bereich engagiert und weiterhin großes Interesse dafür hatte, habe ich mich dafür beworben und wurde dann im Frühjahr 2020 in das Redaktionskollegium berufen.
Wie ist denn die Lage, bezogen auf das Engagement in der ärztlichen Selbstverwaltung?
Grundsätzlich muss man sagen, dass sich das Engagement der Kolleg*innen für derartige Gremien schon immer in Grenzen gehalten hat, vor allem bei den jüngeren Ärzt*innen. Das hat sicher sehr viel mit der großen Arbeitsbelastung unseres Berufes zu tun. Mediziner*innen sind deshalb auch nicht unbedingt diejenigen, die sich für ein aktives (berufs)politisches Engagement interessieren, zumal der Wirkungskreis nach wie vor begrenzt ist.
Grundsätzlich kann man aber sagen, dass sich bei der letzten Wahl 2019 viele junge Ärzt*innen zur Wahl gestellt haben und auch gewählt wurden. So viele junge Kammermitglieder gab es noch nie in der Sächsischen Landesärztekammer. Es hat sich dann auch ziemlich schnell das „Forum Junge Ärzte“ gebildet, um das nochmal deutlicher abzubilden und gezielt die Themen der jungen Kolleg*innen einzubringen und auch, um diese zu motivieren, sich in der Selbstverwaltung der Ärzteschaft zu engagieren.
Und abgesehen von Ihrem Engagement, in Ihrer Freizeit, was unternehmen Sie da gerne?
Meine Freizeit widme ich meiner Familie und Freunden, guten Büchern, Filmen und Musik. Für Sport bleibt aktuell leider nicht viel Zeit.
Was können Sie empfehlen in Werdau und auch in Leipzig? Was muss man unbedingt mal besucht haben?
In Werdau kann man seine Zeit gut in den ausgedehnten Waldgebieten verbringen oder an der Koberbachtalsperre. In Leipzig gibt es neben den vielen großen Parks, dem Auwald und dem Neuseenland natürlich sehr viele kulturelle Angebote, die man nutzen kann. Und schöne große Spielplätze!
Was wünschen Sie sich (für die Zukunft) bei der Arbeit als junge Ärztin?
Ich wünsche mir, dass das hohe Gut einer guten und umfassenden medizinischen Versorgung unserer Bevölkerung gegen alle wirtschaftlichen Interessen verteidigt wird und nicht als Dienstleistung an Kund*innen sondern als Dienst am Patienten verstanden wird. Und das auf allen Ebenen!
Außerdem wünsche ich mir viele junge Medizinstudierende, die entsprechend den Anforderungen an den Beruf, individuell ausgewählt und ausgebildet werden, die ihren Beruf als Berufung sehen und auch bereit sind, dringend benötigte Fachgebiete und vakante Versorgungsgebiete abzudecken. Im besten Fall engagieren Sie sich auch noch ehrenamtlich, zum Beispiel in der ärztlichen Selbstverwaltung.