Die Spezies „Hausarzt auf dem Land“ gehört in Deutschland zu den gefährdeten Arten. Das wurde mir während meines Medizinstudiums in Göttingen und Dresden und auch zum PJ im Chemnitz oft deutlich gemacht. Ursprünglich stamme ich aus dem sächsischen Oederan. Für mich war es also eine attraktive Entscheidung, zum Arbeiten in meine Heimatstadt nach Mittelsachsen zurückzukehren und mich als Arzt mit einer eigenen Praxis hier niederzulassen.
Wie kommt man also vom Wunsch nach der eigenen Praxis zur tatsächlichen Niederlassung? Der Anfang war leicht gemacht: Über eine befreundete Kollegin erfuhr ich, dass ein Ärztepaar aus Oederan zu der Zeit in Rente gehen wollte. Ihre Praxis zu übernehmen, wäre mit meinem Zeitmanagement noch nicht vereinbar gewesen. Aber über das Paar kam ich zum Kontakt eines weiteren Arztes der Kleinstadt, der sich langsam aus der Arbeitswelt verabschieden wollte. So konnten wir einen schleichenden Übergang über zwei Jahre planen, in dem er sich langsam zurückzog und ich einstieg. Ich hatte die Möglichkeit, von seiner Erfahrung zu profitieren und zu lernen, wie man seine eigene Praxis effektiv führt. Für unterbesetzte Gebiete wie Oederan kann man beispielsweise Fördergelder zur Praxisgründung bzw. zum -ausbau beantragen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Am Anfang musste ich mich konsequent durchsetzen, denn auf dem Land ist die Skepsis gegenüber Veränderungen doch um einiges höher als in der Großstadt. Die meisten PatientInnen habe ich von meinem Vorgänger übernommen und mir darüber hinaus meinen eigenen PatientInnenstamm aufgebaut. Als Arzt im ländlichen Raum ist Improvisationsvermögen gefragt, denn die Facharztdichte ist nicht so hoch wie in der Stadt und die Wege sind länger. Es heißt also: vorausdenken, langfristig planen und Prioritäten setzen. Außerdem ist die Vernetzung sehr wichtig. Mit sechs weiteren MedizinerInnen aus Oederan treffen wir uns regelmäßig zum Ärztestammtisch, tauschen uns aus und sprechen uns ab, zum Beispiel bezüglich Vertretungen und Ähnlichem. Die eigene Praxis bringt zeitliche Freiheiten, die man sich als Klinikarzt nicht nehmen kann. Man ist selbstständig und kann sich seine Work-Life-Balance nach eigenem Belieben gestalten. Außerdem bietet die eigene Niederlassung im ländlichen Raum auch finanzielle Sicherheit, denn der Bedarf an medizinischen Fachkräften ist hoch.